Gedenkort Deportationsrampe Mainz

Auf dem Güterbahnhof an der Mombacher Straße gegenüber dem alten Jüdischen Friedhof wurden die Züge im Rahmen der Massendeportationen abgefertigt, die zur Zeit des Nationalsozialismus in Mainz stattfanden. Allein 1942 wurden von diesem Güterbahnhof aus über 1100 Mainzer jüdische Bürger*innen in die Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert in denen fast alle ermordet wurden. Die Deportationen fanden eher unauffällig, aber dennoch für die Stadtgesellschaft wahrnehmbar statt. Der Ort an dem das Terrain des ehemaligen Güterbahnhofes an die Mombacher Strasse grenzt, soll deshalb künftig zu einem Erinnerungsort entwickelt werden. Bei unserem Beitrag erscheint es uns wichtig in dem sehr heterogenen städtebaulichen Umfeld die Präsenz des Ortes im Stadtraum deutlich zu machen. Selbstbewusst besetzt der Denkort den Raum und schafft eine Landmarke an der Ecke Mombacher Straße / Goethestraße. Besucher werden zunächst auf einem kleinen Vorplatz, direkt an dem Fuß- und Radweg liegend, in Empfang genommen. Eine stählerne Spur, als bodengleiche Intarsie in Fuß- und Radweg eingelassen, holt Besucher und Passanten ab und führt sie auf einen abfallenden Weg, das heterogene Stadtumfeld verlassend. Die Stadtgeräusche nehmen ab, verändern sich, Konzentration wird visuell und auditiv unterstützt. Auf dem Weg zum Denkort dreht sich der Besucher um 360°, sein Orientierungssinn wird angeregt, irritiert. Über dem Zugang zum Denkort trennt sich der nach unten abfallende Weg des Besuchers vom Weg des stählernen Bandes. Dieses bildet nach oben emporsteigend den Raum des Denkortes, windet sich spiralförmig nach oben und endet schließlich im Ungewissen. Die unterschiedliche Richtung von Weg und Stahlband steht für die erzwungene Wegtrennung derer, die bleiben konnten – darunter auch die Täter – und derer, die die Stadt verlassen mussten, fast immer auf dem Weg in den Tod, in allen Fällen in das Ungewisse. Im Denkort angekommen kann sich der Besucher, abgewandt von der Straße und abgeschirmt von der Umgebung, informieren. Der abgesenkte Raum unterstützt Kontemplation und stellt Wissen zur Verfügung. Es werden Bedingungen geschaffen, die zum Ziel haben sollten, auch eigene moralische und ethische Wertmaßstäbe zu überprüfen. Die Frage nach dem: „wie verhalte ich mich heute“ baut eine Brücke in die Zukunft.

Heinrich Lessing Architekten | Hauptstraße 17-19 | Gebäude Nr. 6317 | 55120 Mainz